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Zukunft der Ernten Die Welt wird nicht mehr satt

Die Weltbevölkerung wächst, doch die Landwirtschaft hält nicht mit. Um die Menschheit zu ernähren, müssten laut einer Studie im Jahr 2050 doppelt so viel Mais, Reis, Weizen und Soja geerntet werden wie derzeit. Doch die Erträge steigen zu langsam.
Flüchtlingslager in Somalia (2011):

Flüchtlingslager in Somalia (2011):

Foto: TONY KARUMBA/ AFP

Saint Paul/London - Die Ernährung der Weltbevölkerung ist zunehmend in Gefahr: Laut einer neuen Studie steigen die Erträge von Reis, Mais, Weizen und Sojabohnen nicht stark genug an, um den zunehmenden Hunger nach ihnen zu stillen. Im Jahr 2050 müsste doppelt so viel von diesen Pflanzen geerntet werden wie derzeit. Dazu müsste sich der Ertrag jedes Jahr um durchschnittlich 2,4 Prozent verbessern. "Die aktuellen Raten erreichen dieses Ziel aber nicht", schreiben Forscher im Online-Fachmagazin PLOS One.  

Mit den derzeitigen Raten ließe sich die Produktion von Mais bis zum Jahr 2050 um rund 67 Prozent steigern. Für Reis gebe es ein Plus von 42 Prozent, für Weizen 38 Prozent und für Sojabohnen 55 Prozent. Das ergaben die Berechnungen des Teams um Jonathan Foley vom Institute on the Environment an der University of Minnesota.

Drei Faktoren sorgen dafür, dass mehr Agrarpflanzen nötig sind:

  • Die Weltbevölkerung wird weiter steigen. 2011 überschritt sie die Sieben-Milliarden-Marke, bis 2050 wird es nach Prognosen der Uno rund neun Milliarden Menschen geben.
  • Jeder Mensch wird künftig im Durchschnitt mehr Fleisch und Milchprodukte essen, und es wird mehr Biosprit verwendet, für den ebenfalls Anbauflächen benötigt werden.
  • Zusätzlich sollen die derzeit rund 870 Millionen unterernährten Menschen künftig genug zu essen haben.

Weltbank fordert neue Anbaupraxis

Das Forscherteam hatte gut 2,5 Millionen Zahlen zusammengetragen. Es handelte sich um Angaben zu Ernteflächen und Ertrag - und zwar von der Dorfebene bis zur Landesstatistik sowie von 1961 bis 2008. Dabei wurde vor allem auf die Trends der zwei jüngsten Jahrzehnte geachtet. Außerdem konzentrierten die Forscher sich auf Mais, Reis, Weizen und Sojabohnen. Diese Pflanzen ergeben zusammen rund zwei Drittel jener Energiemenge, die momentan der Anbau aller Kulturpflanzen weltweit erbringt.

Die Forscher identifizierten mehrere Krisenregionen, zum Beispiel Guatemala, wo Mais rund 36 Prozent der Energie aus Nahrungsmitteln ausmacht: Während dort die Bevölkerung wächst, geht die Mais-Produktion zurück. Problematisch sei die Lage auch in China und Indien: Die beiden Länder gehörten hinsichtlich Reis und Weizen jeweils zu den drei wichtigsten Herstellern der Welt, aber die Erträge stiegen kaum. In China würde pro Jahr etwa 0,7 Prozent mehr Reis und 1,7 Prozent mehr Weizen gewonnen; in Indien seien es pro Jahr etwa ein Prozent mehr Reis und 1,1 Prozent mehr Weizen.

Mit diesen Raten würde in beiden Ländern die Pro-Kopf-Ernte gerade gleich bleiben, so die Forscher. Der Hunger der Weltbevölkerung ließe sich damit aber nicht lindern. Ähnlich sei es in Afrika: Dort sinke die Pro-Kopf-Ernte für Reis ausgerechnet in nahezu all jenen Ländern, wo sich die Menschen vor allem von Reis ernähren, zum Beispiel auf Madagaskar sowie in Mali, Nigeria und Tansania.

Forderung nach effizienterer Nutzung

Um all diesen Ansprüchen gerecht zu werden, müsse mehr geerntet werden. Deswegen sei es wichtig, den Ertrag pro Pflanze anzukurbeln, so die Forscher. Mehr Anbaufläche sei hingegen keine Lösung: Als Weideland werde weltweit bereits eine Fläche genutzt, die etwa der Fläche des afrikanischen Kontinents entspreche.

Experten haben wiederholt darauf hingewiesen, dass die Ressourcen der Erde durchaus reichen würden - das Problem seien die Verluste bei der Ernte und der Verteilung der Nahrung. Theoretisch könnten sogar zehn oder elf Milliarden Menschen ernährt werden, meint etwa Joel Cohen von der New Yorker Rockefeller University. Das Getreide sei schon heute vorhanden - aber nur etwa die Hälfte davon werde gegessen. Der Rest ende als Tierfutter, Biosprit oder Schmierstoff.

Erst am Mittwoch hatte die Weltbank vor Nahrungsengpässen durch den Klimawandel gewarnt. Der Temperaturanstieg könnte laut der Studie etwa dazu führen, dass im Afrika südlich der Sahara bis zum Jahr 2030 rund 40 Prozent der Fläche, auf der heute noch Mais und Hirse angebaut werden, durch Trockenheit verlorengehen. In Südasien könnten vorhergesagte Veränderungen des Monsun zu deutlich mehr Überschwemmungen und gleichzeitig längeren und härteren Dürreperioden führen. Allerdings basiert der Weltbank-Bericht auf der Annahme, dass die globale Durchschnittstemperatur schon in den achtziger Jahren des 21. Jahrhunderts vier Grad höher sein wird als in vorindustriellen Zeiten, was sich am oberen Ende der bisherigen Berechnungen bewegt.

nik/dpa