Der rechte Rand

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8. März 2013 von Björn Radke

Sperrung des Nord-Ostsee-Kanal: Ein Kollaps mit Ansage

„Schleusen kaputt: Kanal für alle großen Schiffe dicht!“ Diese Schlagzeile dokumentiert letztlich den Tief- bzw. Höhepunkt einer sich seit längerem abzeichnenden Entwicklung von vernachlässigter Investitionspolitik und nicht berücksichtigter Veränderungen der Rahmenbedingungen in der maritimen Wirtschaft. Die komplette Schließung der beiden großen Schleusenkammern des Nord-Ostsee-Kanals in Brunsbüttel wegen einer Notreparatur für voraussichtlich zwei Wochen war schon länger von vielen befürchtet worden. Seit Monaten hat die marode Technik im Nord-Ostsee-Kanal der Schifffahrt zu schaffen gemacht. Jahrelang wurde nicht ausreichend investiert.

Wegen altersschwacher Schleusen ist der Nord-Ostsee-Kanal (NOK) für größere Schiffe, die länger als 125 Meter und breiter als 20,5 Meter sind, unpassierbar. Die die hölzernen Kufen der Schleusentore in Brunsbüttel erzeugen durch "Abnutzung" inzwischen so viel Reibung, dass die Antriebe sie nicht mehr bewegen können. Doch nicht nur die marode Technik macht Sorgen. Auch gibt es nicht viele Fachleute für die Instandhaltung der hundert Jahre alten Technik. Denn die körperlichen Anforderungen sind hoch, da in Brunsbüttel die Arbeiten unter anderem in zwölf Metern Wassertiefe in Druckkammern stattfinden. An den Wartungs- und Reparaturarbeiten sind jeweils Teams aus sieben Beschäftigten beteiligt — davon zwei Taucher. Fällt ein Taucher wegen Krankheit aus, ruhen die Arbeiten bis zu seiner Genesung.

Für die Reparatur müssen die beiden großen Schleusen gesperrt werden. Nur die kleinen Parallel-Kammern blieben offen. Diese reichen aber nur für Schiffe bis 125 Meter Länge und 6,50 Meter Tiefgang aus. Schiffe mit mehr als 125 Meter Länge müssen deshalb den mehrere hundert Seemeilen längeren Umweg über Skagen nehmen, um von der Nord- in die Ostsee oder umgekehrt zu gelangen. Laut Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord (WSD) werden mit dem Weg durch den NOK durchschnittlich 250 Seemeilen abgekürzt, für die ein Schiff 14 bis 18 Stunden benötigt. Die Kanalpassage dauert hingegen nur sechs bis acht Stunden. Damit entfällt nach Auskunft des WSV für den Kanal 60 Prozent der Ladung.

Die Höhe des Schadens ist noch nicht absehbar. Für den Geschäftsführer von United Canal Agency (UCA) in Kiel ist die Sperrung ein „Drama“. Von den insgesamt 35.000 Durchfahrten von Handelsschiffen im Jahr betreut UCA rund 15.000. Die Hälfte davon sind Schiffe mit mehr als 125 Meter Länge. "Das betrifft alle Beteiligten in der Region, Reedereien, Häfen, Lotsenstationen", so der Geschäftsführer der UCA, Petersen. Auch Ladung für Fernrouten sei betroffen, weil etliche Zubringerschiffe, die sogenannten Feeder, ihre Termine für die Beschickung der Überseeschiffe nicht einhalten können. Vor einer solchen Lage habe UCA schon seit zehn Jahren gewarnt. Die Schiffe des größten Kanalkunden, die Hamburger Reederei Unifeeder, passieren den Kanal im Schnitt 40-mal in der Woche. Bis auf einen Frachter seien alle Schiffe der Flotte länger als 125 Meter. Durch den Umweg über Skagen an der Nordspitze Dänemarks verlängert sich die Fahrzeit nach Schweden und Dänemark um fünf bis zehn Stunden, in die östliche Ostsee um 15 bis 20 Stunden.

Den Nord-Ostsee-Kanal nutzten im Jahr 2012 fast 35.000 und transportierten dabei mehr als 104 Millionen Tonnen Güter. Dies war das zweitbeste Ergebnis bei der Tonnage seit Bestehen. Nur 2008 hatten Schiffe mit 105 Millionen Tonnen mehr Ladung über die Wasserstraße transportiert. Im Vergleich zu früheren Jahren nutzten inzwischen zwar weniger Schiffe den Kanal, aber sie sind größer und länger.

Vor diesem Hintergrund
mag das Ausmaß dieses Desasters erst deutlich werden, wenn Jens Knudsen (Geschäftführer Sartori & Berger) auf den harten Punkt hinweist: "Wenn nach den Reparaturen längerfristig wieder garantiert werden kann, dass der Kanal wieder zu seiner Planbarkeit zurückkommt, dann habe ich die Hoffnung, dass die Verkehrsströme auch nicht gänzlich abwandern." Oder andersherum: Bleibt die Planungssicherheit aus, werden massive ökonomische Einbrüche durch das Wegbleiben der großen Schiffe unvermeidlich. Dies würde Schleswig-Holstein, aber vor allem Hamburg schwer treffen. Denn ist die Kanalpassage nicht mehr kalkulierbar, lohnt sich für Schiffe auch der lange Weg die Elbe hinauf bis zum Hamburger Hafen nicht mehr. Jeder dritte Container, der dort umgeschlagen wird, passiert zurzeit den NOK.

Seit Jahren ist die Sanierung überfällig

Der Reparaturbedarf der beiden großen Schleusen in Brunsbüttel ist seit längerem bekannt. Sie werden im kommenden Jahr 100 Jahre alt. 300 Millionen Euro soll die Sanierung kosten. Jahrelang haben die Landesregierungen und der Bund, in dessen Hoheit der Kanal liegt, die schleifen lassen. Vom 14. bis 16. August 2012 stauten sich bis zu 30 Großschiffe und auch Kreuzfahrer wegen Bauarbeiten an den Kieler Schleusentoren vor der Kieler Einfahrt in den NOK. Drei der vier Schleusenkammern waren ausgefallen. Der Stau wirkte sich bereits auf den Hamburger Hafen aus.

"Mit den wachsenden technischen Problemen des Kanals schrumpfen die Standortvorteile des Hamburger Hafens in den Verbindungen von und zur Ostsee", äußerte sich wenige Tage vor der aktuellen Vollsperrung Timm Ulrich Niebergall, Deutschland-Chef der Reederei Unifeeder. " Die Reederei verbucht ständig steigende Wartezeiten vor den Schleusen, weil diese überlastet sind. Im November summierten sich allein die Wartezeiten von Unifeeder-Schiffen an den Brunsbütteler Schleusen auf 275 Stunden. Die Reeder fürchtet nicht nur die steigenden Wartezeiten, sondern auch das Risiko, dass besonders die überalterten Hauptschleusen komplett ausfallen. "Die Verlässlichkeit des Nord-Ostsee-Kanals geht seit 20 Jahren immer weiter herunter", sagte Jann Petersen von der Schiffsagentur UCA in Kiel. Neben dem ebenfalls Kieler Unternehmen Sartori & Berger vermittelt und organisiert UCA die Schiffspassagen durch den Kanal. "Der Kanal bringt im Moment bei Weitem nicht 100 Prozent seiner Leistung. Die Bundesregierung muss dem Thema endlich mehr Aufmerksamkeit und die nötigen Mittel widmen."

Auch das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) Kiel bestätigte, dass eine Grundinstandsetzung der gesamten Schleusenanlage dringend notwendig wäre. Die letzte Sanierung »von Grund auf« geschah vor 30 Jahren. Die Gesamtkosten für die verschiedenen Sanierungsprojekte belaufen sich nach Schätzungen vom Bund auf 1,25 Mrd. Euro.

In einem ersten Schritt hatte das Bundesverkehrsministerium den Neubau der fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel bewilligt. Der NOK ist die meistbefahrene Wasserstraße der Welt. Das Frachtaufkommen liegt beim Suezkanal um 7-mal und beim Panamakanal sogar 16-mal, aber bei den Schiffspassagen liegen die Zahlen des NOK 2 ½-mal höher als beim Panamakanal und doppelt so hoch wie beim Suezkanal. Und die Schleusungen zum NOK nehmen immer weiter zu, denn die Schiffe werden immer größer; so groß, dass manchmal nur noch ein einziges Schiff in die Schleusenkammer passt. Durch den Stau verlieren die Schiffe ihre Liegezeitfenster in den Häfen und das kostet Geld. Schleusensperrungen häuften sich, und jeder Tag Wartezeit am Kanal kostet bis zu 5.000 Euro. Deshalb soll der Nord-Ostsee-Kanal  in Brunsbüttel eine neue Schleuse bekommen, tiefer und breiter werden, um größeren Schiffen die Durchfahrt zu ermöglichen.

Aber schon nach wenigen Monaten sind diese Schätzungen Makulatur: Der Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) bestätigte, werde die Errichtung einer neuen Schleuse in Brunsbüttel nun 360 Millionen statt 300 Millionen Euro kosten. Zudem werde die Fertigstellung bis 2020 statt wie zuletzt vorhergesagt 2018 dauern. Ursprünglich hätte die fünfte Brunsbütteler Schleuse sogar schon 2014 fertig sein sollen. Baubeginn soll nun nächstes Jahr sein. Die Kosten belaufen sich derzeit auf: 1,3 Milliarden Euro. Grund für die Mehrkosten sei, "dass die Baumaßnahme komplexer ist als gedacht", so das Bundesverkehrsministerium. Die Gesamtkosten für den Kanalausbau inklusive Vertiefung auf voller Länge und Verbreiterung der Oststrecke steigen so von 1,25 Milliarden auf über 1,3 Milliarden Euro. Angesichts dieser Lage fordert der Präsident der Unternehmensverbände Nord  mehr Investitionen und weniger Konsumausgaben des Staates.

Der sich abzeichnende Strukturwandel
in der weltweiten Seeschifffahrt lässt darüber hinaus eine Veränderung der Bedeutung des NOK von einer weltweit bedeutsamen zu einer regionalen Wasserstraße befürchten, und das hätte für Schleswig-Holstein weitreichende Folgen.

Kritik allerorten

Entsprechend heftig richtet sich die Kritik an den die schwarzgelbe Bundesregierung. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) fordert vom Bund rasche Hilfe für den Nord-Ostsee-Kanal. "Wir bekommen jetzt die Folgen der über Jahrzehnte vernachlässigten Instandhaltung und aufgeschobenen Modernisierung, verbunden mit einem stetigen Personalabbau in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, zu spüren", heißt es in einem Brief an Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU).

"Da die Schleusentore nicht rechtzeitig saniert wurden, verstopft eine der wichtigsten Lebensadern für unsere Wirtschaft in ganz Deutschland", so Albig. Das treffe in erster Linie den Hamburger Hafen und Schleswig-Holstein, aber auch die Wirtschaft in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. "Ich fordere den Bundesverkehrsminister auf, endlich seine zögerliche Haltung mit Blick auf die Sanierung der Schleusen und des gesamten Kanals aufzugeben und zu handeln.  Das ist eine Bundeswasserstraße. Und eben für diese Bundeswasserstraße hat der Bund die Verantwortung."

SPD-Fraktionschef Ralf Stegner kritisierte, 2012 seien aus Berlin 60 Millionen Euro versprochen, aber nur 970.000 tatsächlich zur Verfügung gestellt worden. Für 2013 sei die Summe von ursprünglich ebenfalls 60 Millionen auf elf Millionen Euro gesunken.

Die Leiterin des ver.di-Landesbezirks Nord, Karin Hesse, forderte den Rücktritt des Bundesverkehrsministers. Fachleute hätten stets auf den dramatisch schlechten Zustand der Schleusenanlagen in Kiel und Brunsbüttel hingewiesen, nun führe dieser Zustand erneut zur Teilsperrung und werde sehr viel Geld kosten. Geld, das Bundesverkehrsminister Ramsauer in die Infrastruktur des Kanals und seine Mitarbeiter hätte investieren können. Wer so grob fahrlässig mit einer wichtigen Einnahme umgeht, der sollte seinen Hut nehmen und wieder dorthin gehen, wo Schifffahrt keine Rolle spielt."

Damit nahm Ver.di Bezug auf die jüngsten Warnstreiks
der Beschäftigten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. An den Warnstreiks beteiligten sich in Hamburg und Schleswig-Holstein mehr als 400 Beschäftigte. Die Proteste richteten sich gegen die geplante Umstrukturierung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Dadurch würden nicht nur Arbeitsplätze gefährdet und Standorte geschlossen, sondern die gesamte Infrastruktur der Wasserwege in eine unsichere rechtliche Lage gebracht. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte 2012 eine straffere und effizientere Verwaltung der deutschen Wasserstraßen angekündigt. Die Zahl der Beschäftigten soll dabei ohne Entlassungen von derzeit 12.500 auf rund 10.000 sinken.

Angesichts der aktuellen Entwicklung ist die Forderung des DGB  nach einem „Masterplan“ vernünftig, um den Kanal funktionsfähig zu halten. Das kann Schleswig-Holstein allein nicht finanzieren. Da sind die Nutzerländer Hamburg, Niedersachsen  und der Bund gefordert. »Der Kanal müsse wettbewerbsfähig ausgebaut werden, damit die Schiffe nicht weiter um Skagen umgeroutet und damit direkt mehr als 7.000 Arbeitsplätze in ihrer Existenz bedroht werden. «


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